„Heute mache ich mir eine Freude und besuche mich selbst.
Hoffentlich bin ich daheim.“
Dieser feinsinnige Ausspruch stammt nicht von einem selbstverwirklichten Yogi, sondern von dem großen Münchner Kabarettisten, Komiker und Schauspieler
Karl Valentin. In seinem klugen Gedanken liegt eine tiefe Weisheit,
die uns mit der Frage konfrontiert, ob ich überhaupt Freude empfinde, wenn ich mich selbst, mein wahres inneres Wesen besuche und welche Art von Freude das wohl sein könnte? Ich besuche mich gern, wenn ich weiß, dass mich in meinem inneren Zuhause Ruhe, Sicherheit, Wärme, Herzlichkeit und Freude erwarten. Wenn ich an meiner Eingangstür klingele – die übrigens nur von Innen geöffnet werden kann – dann hoffe ich, dass ich Daheim bin und mich über diesen Besuch freue.
Denn dann kann ich mit frohem Herzen die Tür zu mir öffnen. Das setzt aber voraus, dass ich mich mit mir eingehend beschäftige, im Einklang mit mir bin, meine Stärken und Schwächen kenne und mich grundsätzlich wohlfühle in dem Leben, dass ich mir mit meinen Möglichkeiten und Fähigkeiten gestaltet habe.
Diese tiefe Sehnsucht, bei sich anzukommen, Ruhe zu finden, sich geborgen fühlen, einfach zufrieden sein, kennen wir wahrscheinlich Alle und unser Bedürfnis danach steigt, je hektischer und unruhiger die Welt um uns wird und je mehr Leistung, Engagement und Konzentration von uns gefordert werden.
Es gibt aber auch Menschen, denen der Gedanke Angst macht, sich zu besuchen, Zeit mit sich zu verbringen und dabei ganz allein mit sich zu sein. Lieber beschäftigen Sie sich mit zeitraubenden Tätigkeiten und oberflächlichen Beziehungen, stürzen sich in riskante Freizeitaktivitäten oder geben sich den heute unbegrenzten Möglichkeiten und Ablenkungen hin, die die moderne Medien- und Erlebniswelt bietet. Smartphone und Internet sind die verehrten und begehrten „Götzen“ unserer Zeit und die Befriedigung, die sie daraus erlangen, ist nicht nur kurzlebig und begrenzt, sondern kann auch in große Abhängigkeiten führen.
Es ist ja auch viel einfacher sich in einem immer wieder neuen, faszinierenden Kommunikationsstrudel treiben und mitreißen zu lassen, als sich um das eigene wahre Wesen zu kümmern. Da Manche sich weit von ihrem Selbst entfernt haben, ist der Weg zurück beschwerlich und wer weiß, was mich da erwartet.
Wen oder was werde ich wohl antreffen, falls ich mich doch mal dazu entschließe, mich zu besuchen? Wenn ich befürchte oder glaube, dass mich in meinem Kern
nichts Freudiges oder Freundliches erwartet, habe ich auch keine Lust auf einen Besuch.
Die Tatsache, dass viele Menschen denken, dass sie Freude nur im Äußeren, in der Beschäftigung und Handlung finden können, ist ein Hinweis darauf, dass sie entweder nicht wissen, welche Freuden in ihnen wohnen, dass sie den Weg dahin nicht kennen, oder dass sie einfach Angst davor haben, statt Freude etwas Unangenehmes, Enttäuschendes zu entdecken. Ist das nicht verrückt, dass wir ein Leben lang eng mit uns zusammen sind und uns dabei vielleicht nie richtig kennenlernen? Und falls das vielen Menschen so gehen sollte, könnte das ein Grund dafür sein, dass wir uns oft unzufrieden, nicht ausgeglichen, belastet und gestresst fühlen? An manchen Tagen bin ich tatsächlich nicht bei mir Daheim, möchte mich nicht besuchen und meine Tür öffnen, weil mein inneres Heim nicht aufgeräumt und gereinigt ist. Weil ich mir nicht die Zeit genommen habe, es freundlich, gemütlich und einladend zu gestalten. Manchmal vernachlässigen wir uns und weil wir dann keine schöne, innere Heimat in uns verspüren, haben wir wenig oder keine Lust auf einen Besuch.
Die Wahrheit ist aber, dass jeder Mensch eine Urfreude, ein Urvertrauen, einen heiligen, geschützten Wesensraum in sich trägt, wo seine Lebensfreude zuhause ist. Wenn wir in diesem Körper auf die Welt kommen und mit dem ersten Atemzug und Schrei unser irdisches Dasein beginnen, dann befinden wir uns in einem freudvollen, unbelasteten, göttlichen Zustand.
Wir alle haben den Wunsch, uns wohlzufühlen und wir tun viel dafür, dass unsere kleine, private Welt so gestaltet wird, dass sie uns dieses Wohlgefühl bietet.Wir möchten eine schöne, kuschelige Wohnung, am liebsten mit Balkon oder Garten, eine berufliche Tätigkeit, die uns erfüllt und Spaß macht, freundliche und liebevolle Beziehungen zu anderen Menschen, eine finanzielle Basis, die ein interessantes, und gesichertes Leben ermöglicht. Und wir wünschen uns dauerhaft Frieden, Harmonie und Freude. Das sind typische und durchaus verständliche äußere Merkmale eines Lebens, von dem wir glauben, dass es uns glücklich und zufrieden sein lässt.
Wenn wir nur einen kleinen Teil dessen, was wir in die äußeren Merkmale und Bedingungen unseres Wohlgefühls investieren, auch für die freundliche Gestaltung unserer inneren Welt aufbringen würden, dann hätten wir tatsächlich exzellente Voraussetzungen geschaffen, um häufiger in Frieden, Einklang und Harmonie mit uns zu sein. Dann würden wir auch gern die schönen Räume unseres inneren Daheims besuchen.
